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Verhältnismäßigkeit: Pförtnerjob vor Kündigung

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Eine Kündigung hat stets das letzte Mittel zu sein. Vorher sind alternative Jobs zu prüfen und anzubieten. Wie weit das ultima-ratio-Prinzip (Verhältnismäßigkeit) im Kündigungsrecht reicht, dies hat das Arbeitsgericht Bonn im April 2016 wieder verdeutlich.

Seit fast 30 Jahren war der Kläger zunächst als Produktionshelfer und zuletzt als Pressenfahrer tätig. Er war im Presswerk eingesetzt und verdiente nach der Entgeltgruppe 9 ungefähr 3.900,- €. Ein starker Auftragsrückgang erforderte einen erheblichen Personalabbau. Die Arbeitgeberin handelte, vereinbarte mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan, zeigte die Massenentlassung vorher bei der Agentur für Arbeit an und kündigte anschließend u.a. dem Kläger. Alles richtig gemacht, wäre da nicht die erforderliche Verhältnismäßigkeit zu wahren.

Weiterbeschäftigung vor Kündigung zu prüfen

Mit seiner Kündigungsschutzklage machte der Kläger nämlich geltend, dass er von der beklagten Arbeitgeberin vor Erhalt der betriebsbedingten Kündigung die doch freie und zu besetzende Stelle des Pförtners (Entgeltgruppe 4) hätte erhalten müssen. So sahen es auch die Richter am Arbeitsgericht Bonn. Die notwendige Verhältnismäßigkeit führe dazu, dass der Arbeitgeber von dem Angebot einer freien Stelle vor Ausspruch einer Kündigung nur dann absehen dürfe, wenn bei vernünftiger Betrachtung eine Annahme des Angebots durch den Mitarbeiter ausgeschlossen werden könne oder das Angebot beleidigenden Charakter hat. So sieht auch das Bundesarbeitsgericht die Handhabung der Verhältnismäßigkeit.

Freie Stelle nur im Extremfall nicht anzubieten

Das Angebot einer um fünf Entgeltgruppen niedriger bewerteten Pförtner-Stelle möge zunächst nicht besonders attraktiv sein. Es habe aber keinen beleidigenden Charakter. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit wäre daher eine Beschäftigung als Pförtner dem Pressenfahrer auch mit dem geringeren Gehalt anzubieten gewesen, bevor man ihn kündigt.

Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass stets sehr sorgfältig geprüft werden muss, welcher freie Arbeitsplatz – auch auf unteren Hierarchieebenen – dem betreffenden Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Kündigung aus betriebsbedingten Gründen angeboten werden muss. Aus Sicherheitsaspekten wird man hier den Kreis sehr weit ziehen müssen. Arbeitnehmer ihrerseits sollten in solchen Situationen selbst die Verhältnismäßigkeit überprüfen, freie Stellen dokumentieren und beim Arbeitgeber ggfs. eine Beschäftigung auf diesen einfordern.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass bei einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen letztlich der Arbeitnehmer zu entscheiden hat, ob das Änderungsangebot für ihn zumutbar ist oder nicht.

Arbeitsgericht Bonn, Urteil vom 06.04.2016, Az.: 5 Ca 2292/15

 

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