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Verdachtskündigung – und die Anhörung des Arbeitnehmers

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Nur dann, wenn ein Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorab zu den ihm gemachten Vorwürfen gehört hat, kann er einem Arbeitnehmer eine außerordentliche fristlose Kündigung wegen des Verdachts einer Pflichtverletzung aussprechen. Nur wenn ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer eine solche wegen der Tat der Pflichtverletzung und nicht wegen des bloßen Verdachts ausspricht, wird eine vorherige Anhörung des Arbeitnehmers nicht zur Wirksamkeitsvoraussetzung.

Anhörung vor fristloser Kündigung wegen eines Verdachts notwendig

Aber wie genau muss ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine solche Anhörung deutlich machen, damit dies eine wirksame Anhörung darstellt. Mit dieser Thematik setzte sich nunmehr das Bundesarbeitsgericht auseinander. Dem Fall lag der folgende Sachverhalt zu Grunde:

Eine Kassiererin hatte gegen eine ihr ausgesprochene außerordentliche fristlose Kündigung eine Kündigungsschutzklage eingereicht. Sie war wegen Veruntreuung eines Geldbetrages und wegen des Verdachts der Veruntreuung, nachdem sie bei der Deutschen Bundesbank für ihren Arbeitgeber Geldscheine im Wert von 115.000,00 Euro bestellt und den entsprechenden P-Behälter mit Plombe entgegengenommen und im Kassenbereich deponiert hatte, gekündigt worden. Etwa 20 Minuten nach Anlieferung des P-Behälters meldete sie einem Kollegen, sie habe in dem P-Behälter lediglich Babynahrung und Waschmittel gefunden. Bei der Arbeitgeberin existierte eine Arbeitsanweisung, wonach Geldbehälter im sog. Vier-Augen-Prinzip zu öffnen sind.

Es fand zudem eine Wohnungsdurchsuchung bei der Klägerin statt. Es wurden mehrere tausend Euro gefunden, sowie in ihrem Bankschließfach in mehreren Umschlägen weitere Beträge.

Die Arbeitgeberin stellte Strafanzeige gegen unbekannt und teilte der Klägerin unter anderem mit, sie habe gegen das Vier-Augen-Prinzip verstoßen und bat sie, den Sachverhalt, da auch eine Aufklärung in ihrem Interesse sei, aus ihrer Sicht zu erläutern. Die Klägerin stellte daraufhin unter anderem unstreitig, das Vier-Augen-Prinzip nicht eingehalten zu haben.

Nach weiteren Durchsuchungen und Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurde festgestellt, dass die Klägerin erhebliche Verschuldungen hatte und in jüngster Vergangenheit viele Einzahlungen durch die Klägerin für ihr Girokonto erfolgt seien.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis, nach einer im Einzelnen streitigen Anhörung, mit der Klägerin nach diesem Sachverhalt außerordentlich, hilfsweise fristgerecht. Zu Unrecht, wie das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht die Klage beurteilt hatten.

Nunmehr entschied das Bundesarbeitsgericht: Die außerordentliche fristlose Kündigung ist wirksam.

Anhörung des Arbeitnehmers erfordert keinen dringenden Verdacht

Das Bundesarbeitsgericht stützt seine Entscheidung unter anderem darauf, dass, anders als bei einer sog. Tatkündigung, die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers zwar Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sei, der erforderliche Umfang und die Ausgestaltung sich nach dem Einzelfall richte. Der Arbeitnehmer müsse erkennen können, zur Aufklärung welchen Sachverhalts ihm Gelegenheit gegeben werden solle. Er müsse die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Dies verlange nicht, dass der Arbeitgeber bereits einen dringenden Verdacht gegen den Arbeitnehmer hege und dies überdies im Rahmen der Anhörung ausdrücklich erkläre. Dies sei im vorliegenden Fall mit der Anhörung eingehalten worden.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.04.2018, Az.: 2 AZR 611/17

 

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